Beschreibung der Mauereidechse

Feb 6, 2011 by     Posted under: Reptil des Jahres 2011: Die Mauereidechse

Die Mauereidechse: Podarcis muralis – Wissenschaftliche Zuordnung

Die Mauereidechse ist mit ihrer grazilen Gestalt, feinen Beschuppung und in ihrem von Neugier geprägten Verhalten eine typische Eidechsenart aus der Familie Lacertidae (Echte Eidechsen). Diese Familie umfasst etwa 280 Arten, darunter auch die beiden in Deutschland heimischen Smaragdeidechsen, die Zauneidechse sowie die Waldeidechse. Die Familie der Echten Eidechsen ist ein Teil der Ordnung der Schuppenkriechtiere (Squamata) und zählt zur Wirbeltierklasse der Reptilien (Reptilia). Innerhalb der Familie Lacertidae repräsentiert die Gattung der Mauereidechsen (Podarcis), mit mindestens 20 Arten, die im Mittelmeerraum dominierende Reptiliengruppe. Der wissenschaftliche Name der Mauereidechse lautet heute treffend Podarcis muralis, abgeleitet vom altgriechischen Ποδαρκης (Podarkes) = schnellfüßig und vom lateinischen muralis = an Mauern lebend. Der Wiener Arzt und Naturforscher Josephus Nicolaus Laurenti (1735–1805) beschrieb die Art erstmalig 1768 unter dem Namen Seps muralis, Wagler stellte sie dann 1830 in seine neu errichtete Gattung Podarcis. Allerdings wurden die Mauereidechsen früher meist zur großen Sammelgattung Lacerta gerechnet und Podarcis nur als Untergattung angesehen. Erst 1973 trennte Arnold Podarcis anhand von Unterschieden im Knochenbau wieder als eigenständige Gattung ab, zu der nach neueren, auch genetischen Erkenntnissen rund 20 Arten zählen.

Aussehen der Mauereidechse

Mauereidechsen-Päarchen

Ein Mauereidechsen-Päarchen: Das dunkle Seitenband ist bei Weibchen deutlicher ausgeprägt als bei Männchen; Foto: A. Meyer

Mit einer maximalen Kopf-Rumpf-Länge von 7,5 cm und einer Gesamtlänge von 22,5 cm (meist jedoch unter 20 cm), bei maximal 8 g Gewicht, ist die Mauereidechse eine relativ kleine Eidechse. Auch wenn vergleichende morphologische Untersuchungen fehlen, scheinen Individuen nördlicher Populationen insgesamt kleiner zu sein als südeuropäische Exemplare. In Anpassung an die Lebensweise der Mauereidechse in Mauern und Felsspalten ist ihr Körperbau schlank und abgeflacht. Auffällig sind die kräftigen Beine und langen Zehen sowie ihr langer Schwanz, die der Art ihre charakteristische Klettersicherheit verleihen. Ein eindeutiger Geschlechtsunterschied existiert bei dieser Art nicht – so wurden in den meisten Untersuchungen keine klaren Unterschiede in der Kopf-Rumpf-Länge der Geschlechter nachgewiesen. Die Geschlechtsreife wird im gesamten Verbreitungsgebiet nach der zweiten Überwinterung, im Alter von zwei Jahren, bei einer Mindestgröße von rund 5 cm Kopf-Rumpf-Länge für beide Geschlechter erreicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung frei lebender Mauereidechsen dürfte 4–6 Jahre betragen, maximal können einzelne Tiere ein Höchstalter von etwa 10 Jahren erreichen. Die Körperfärbung heimischer Mauereidechsen variiert zwischen einem Hell- bis Mittelbraun und Grau auf dem Rücken. Von der Augenregion bis auf die Schwanzwurzel verläuft ein dunkles Seitenband, welches häufig von dunklen oder weißlich-gelblichen Linien abgegrenzt wird. Dieses charakteristische Seitenband kann sich speziell bei den Männchen in Form einer Netzstruktur und vieler kontrastreicher Einzelflecken und Ozellen (Augenflecken) auflösen, wohingegen es bei den Weibchen und auch überwiegend bei den Jungtieren einheitlich zu Tage tritt. Die individuellen Zeichnungselemente und Beschuppungsmerkmale bestimmter Körperpartien (Kopf, Brustschilde, Vorder- und Hinterbeine) ermöglichen eine individuelle fotografische Wiedererkennung.

Warum Reptilien in der Sonne liegen

Mauereidechse beim Sonnenbad - mit Fuß-Schutz-Haltung

Mauereidechsen halten manchmal beim Sonnenbad ihre Vorder- und Hinterbeine nach oben; Foto: J. Gebhard

Wie fast allen Reptilien fehlt auch den Eidechsen die von Säugetieren und Vögeln bekannte Regulationsfähigkeit der Körpertemperatur. Nur durch den Wärmeaustausch mit der Umgebung und ein darauf abgestimmtes Verhalten (Thermoregulation) sind sie in der Lage, ihre Körpertemperatur in einem Vorzugsbereich zu halten, der Aktivität ermöglicht. Sämtliche Verhaltensweisen (Nahrungssuche und -aufnahme, Fortpflanzung, Flucht) sind temperaturabhängig. So ist es nicht verwunderlich, dass die Tiere für den Beobachter viel Zeit des Tages damit verbringen, scheinbar inaktiv ausgiebige Sonnenbäder zu nehmen oder sich auf leicht erwärmbaren Substraten (z. B. Moospolster, Holz, Schiefer) aufzuwärmen. Der Vorzugsbereich, in dem Aktivitäten möglich sind, wird durch ein Temperaturminimum und ein Temperaturmaximum begrenzt. Für viele nicht direkt  ersichtlich, wird es auch der Mauereidechse im Hochsommer in der Mittagszeit an manchen Tagen zu heiß, und die Tiere verlagern dann ihre Aktivität in die Morgen- und späteren Nachmittagsstunden. Demgegenüber ist die Art im Frühjahr und Herbst den ganzen Tag durchgängig aktiv. Für die Steuerung der Jahresrhythmik ist bei Reptilien das Parietalauge (Scheitelauge) von großer Bedeutung. Beim Parietalauge handelt es sich um eine Art drittes, rudimentäres Auge, das sich unter der Epidermis (Oberhaut) in einer Vertiefung direkt im Zentrum eines Kopfschildes befindet. Es dient als Lichtsinnesorgan zur Wahrnehmung von Helligkeitsunterschieden und zur Früherkennung von Feinden. Die dabei aufgenommenen Lichtreize werden zur Epiphyse (Zirbeldrüse) geleitet, wodurch Hormone (Melatonin) ausgeschüttet werden, die die tägliche Aktivität, die Thermoregulation und den Jahreszyklus steuern.

Populationsgrößen und -strutkur

Dominanzverhalten der territorialen Männchen

Dominanzverhalten der territorialen Männchen; Foto: R. Podloucky

Unterschiede in den Populationsgrößen und Abundanzen (Populationsdichten) einzelner Vorkommen beruhen vor allem auf der Verfügbarkeit wichtiger Ressourcen – also für die Eidechsen entscheidender Umweltfaktoren, wie Habitateigenschaften, Unterschlupfmöglichkeiten, Exposition, Vegetation sowie der Habitatgröße. Geeignete Lebensräume können in sehr hohen Individuendichten besiedelt werden, die in diesem Maß von keiner weiteren heimischen Eidechse erreicht werden. Sehr häufig werden vom Menschen geschaffene Sekundärlebensräume sogar in höherer Dichte bewohnt als natürlich entstandene Primärhabitate. So besiedelt die größte dokumentierte autochthone (alteingesessene, also nicht eingeschleppte) Mauereidechsenpopulation bei Offenburg, Baden-Württemberg, mit geschätzten 6.900–7.700 Individuen, nur etwa 16,7 km Bahnlinie. Dort leben rund 1.225 Individuen auf nur einem Hektar Lebensraum. In anderen Habitaten konnten hingegen variierende Dichten von 6,5–615 Individuen pro Hektar ermittelt werden. Innerhalb isolierter Lebensräume überwiegen im deutschen Verbreitungsareal oftmals kleinere Populationen; so bestehen in Baden-Württemberg 86,3 % aller bekannten Vorkommen (138 von 160 Populationen) aus kleinen Beständen mit nur 1–50 beobachteten Tieren. Als eierlegende Art ist die Mauereidechse natürlicherweise sehr starken Bestandsschwankungen unterworfen. Besonders die klimatischen Verhältnisse des Vorjahres haben großen Einfluss auf die Verteilung einzelner Altersklassen sowie auf die Bestandsentwicklung innerhalb von Populationen. Aus der nördlichsten natürlichen Population in Maastricht (Niederlande) beispielsweise wurden teilweise Ausfälle kompletter Schlüpflingsjahrgänge dokumentiert: So bestand die überalterte Population im Jahr 1978 zu 89 % aus adulten und zu 11 % aus subadulten Exemplaren. Darüber hinaus setzte sich die Gruppe der adulten Tiere zu 74,2 % aus mindestens dreijährigen Individuen zusammen. Der warme, relativ trockene Sommer des Jahres 1976 war der Grund für die hohe Anzahl an adulten Tieren dieses Jahrgangs, wohingegen die kühlen, regenreichen Folgesommer 1977 und 1978 kaum Schlüpflinge hervorbrachten. Innerhalb der größten nordrhein-westfälischen Population am Urftstausee bei Gemünd (Nationalpark Eifel), mit bis zu 1.000 geschätzten Tieren auf 40 ha Fläche, verursachen schwankende Klimabedingungen ebenfalls von Jahr zu Jahr stark variierende Individuendichten. Aufgrund recht kurzer Generationszeiten von etwa drei Jahren ist die Mauereidechse allerdings in der Lage, unter günstigen Klimabedingungen relativ schnell hohe Individuendichten aufzubauen. Einen großen Einfluss auf Mortalitätsraten (Sterblichkeitsraten) haben besonders auch die klimatischen Bedingungen im Winter – aus diesem Grund ist die Verfügbarkeit tiefer Überwinterungsspalten eine limitierende Ressource für die Individuendichte innerhalb einer Population. Ähnlich wie die Verteilung einzelner Altersklassen können auch die Geschlechterverhältnisse starken Schwankungen unterworfen sein, obwohl generell eher ein Weibchenüberschuss zu beobachten ist. Vermutlich beruht dies auf der größeren Territorialität der Männchen untereinander, die es nicht-residenten (nicht dauerhaft in einem Gebiet lebenden) Männchen schwerer macht als den nicht-residenten Weibchen, ein Revier auszubilden – die Männchen wandern also eher in andere Gebiete ab.

Textquelle: Aktionsbroschüre 2011: Die Mauereidechse (download)

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